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9 Wochen schwanger

9 Wochen schwanger – so schnell kann es also vorbei sein

  

Niemals hätten wir vermutet „dass uns so etwas passiert“.

Und jetzt gleich ein Blog-Artikel darüber? Zum einen habe ich nicht die Kraft, allen, die es schon wussten, davon zu erzählen, dass unser Bauchzwerg nicht mehr da ist – oder nie da war (aber dazu später). Zum anderen bin ich sicher, dass es sehr vielen gleich geht und nur die wenigsten sich trauen offen und vor allem öffentlich über dieses Thema zu sprechen oder sogar zu schreiben.

 

Ich fange von vorne an.

 

Im Dezember haben wir noch überlegt ob unsere Räubertochter große Schwester werden darf. Keine leichte Entscheidung dachten wir erst, neben wachsender Selbstständigkeit und Hund und Haushalt und und und… Und doch war uns dann schnell klar: Für uns ist Familie das Wichtigste – zusammen schaffen wir das! Also los ;-)

 

…und so schnell konnten wir gar nicht schauen, hielt ich Mitte Jänner einen positiven Test in den Händen. Wow! Unser zweites Wunder!

 

Ich war sehr anfangs sehr euphorisch - diesmal hatte ich einen mega genauen Plan wie alles abzulaufen hatte. Nur ein Ultraschall, hoffentlich Hausgeburt, so wenig Eingriffe und Manipulationen wie irgend möglich. Wir wollten eine möglichst ruhige entspannte und natürliche Schwangerschaft und Geburt – und sind uns durchaus bewusst die Konsequenzen zu tragen. Dass wir diese so bald zu spüren bekommen würden…

 

Mir geht es wirklich super. Von wegen Stillen in der Schwangerschaft schmerzt! Keine Übelkeit, kein Schwindel, einfach nix. Der Januar ist ein stressiger Monat, wir wollen also den Februar ruhiger angehen lassen was uns gut gelingt. Wir gehen ein zwei Mal Essen, können die Ruhe abends oft genießen. Wir freuen uns auf unser neues Familienmitglied! Sogar der Jahresplan steht schon, Urlaub rund um den geschätzten Geburtstermin. Es läuft denken wir…

 

Am Mittwoch habe ich Vormittags Kurs. Ein toller Vormittag! Danach gehen die Räubertochter und ich mit Hund ans Wasser und genießen die ersten Frühlings-Boten. Am frühen Nachmittag stehe ich im Laden und mir geht es nicht gut – ich habe Magen-Krämpfe, mir ist übel. Komisch, ich habe doch gar nichts schlechtes gegessen? Zum Glück geht der Nachmittag recht schnell um. Es ist 18Uhr, kurz bevor ich den Laden schließe. Ich muss mich übergeben. „Ich habe mir sicher eine Magen-Darm-Grippe eingefangen“ denke ich – oder hoffe ich? Ich bin unsicher, habe fremde Gedanken und Unsicherheit in meinem Kopf. Das kenne ich nicht von mir. Kurz darauf habe ich etwas Blut am Toilettenpapier. Gedankenkreisen. Angst. Und gleichzeitig beruhige ich mich – viele Frauen bluten mal in der Schwangerschaft. Die Räubertochter und ich fahren schnell nach Hause. Mir geht es schlecht, zum Glück kann mein Mann Kind und Hund übernehmen. Ich habe Fieber, Magenkrämpfe. Schlafe sehr schlecht.

 

Wir verbringen den Donnerstag mit „Magen-Darm-Grippe“ im Bett. Das tut mir gut. Mein Körper hat das dringend nötig. Kein Blut mehr seit gestern – also muss ich auch nicht zum Arzt. Oder traue ich mich nur einfach nicht? Ich verscheuche die Gedanken. Um 16Uhr fange ich wieder an zu bluten. Nicht stark, aber es läuft. Ich bin schwach. Wehre mich innerlich. Ich ahne, dass etwas nicht stimmt. Will es nicht wahrhaben. Ich packe die Räubertochter ein und überwinde mich zum Arzt zu fahren. Wir müssen warten weil wir ja nicht angemeldet sind. Mein Schatz kommt nach – welch Erleichterung, ich muss „da“ nicht alleine hin!

Der Arzt ist unfreundlich. Das macht in mir oft schnell ein Gefühl von „Inkompetenz“. Er macht einen Ultraschall – ich reiße mich zusammen, denn ich wollte auf keinen Fall einen unnötigen Schall für den Bauchzwerg! Ist da überhaupt ein Bauchzwerg? Das Bild flackert auf. Ich erkenne sofort, dass da nichts ist. Nur eine leere Fruchthöhle ist zu sehen… Ich überlasse dem Gynäkologen das Wort. Er zögert, schallt umher. Traut sich nicht sich zu äußern. Ich erlöse ihn: „Gell, da ist nichts.“. Er ist sichtlich erleichtert. „Nein“. Ein Wort. Eine Gewissheit macht sich breit. Mein armer Mann kann den Monitor nicht einsehen. Er sitzt so weit von mir weg, wäre gerne so nah. Er hört nur unsere Worte. Und deren Nachklang. „In Ihrer Woche sollte da ein Embryo zu sehen sein“. Ich ergänze innerlich: Mit angelegten Armen und Beinen. Einem schlagenden Herz. Die Fruchthöhle ist aber leer. Leer. Leer. Da ist kein Baby. Wir haben keinen Bauchzwerg.

Als wir das Krankenhaus verlassen fließen endlich die ersten Tränen. Wir halten uns an den Händen, die Räubertochter eng an mich gekuschelt. Sie versteht nicht was mit uns los ist. Warum wir weinen. Wir hatten uns doch so gefreut! Mein Mann flüstert nur: „Warum?“. Ich drücke Ihn. Und tröste Ihn. Wenn ich ehrlich bin habe ich es ja ein bisschen geahnt. Vermutet. Verdrängt.

Es baut uns ungemein auf, dass wahrscheinlich Nie ein Bauchzwerg dagewesen ist. Davon gehen wir einfach aus. Ja. Die befruchtete Eizelle hat sich eingenistet, doch es hat einfach nicht gereicht, dass ein Kind daraus wachsen kann. Die Fruchthöhle ist einfach leer geblieben…

Ich wollte das Untersuchungs-Zimmer möglichst schnell verlassen und mit meiner Familie alleine sein. „Wie geht es denn weiter?“ fragte der Gynäkologe noch. Sollte nicht ich ihn das fragen? Ich bin bei mir: Keine Ausschabung! Kein Eingriff. Ich will mich alleine verabschieden von dieser Schwangerschaft. Ich will das tun. „Abwarten!“.

Mein Mann ist nicht begeistert. Er hat Angst vor dem was kommt. Eine Entzündung, zu hoher Blutverlust. Ich bin bei mir, ich will abwarten.

Wir verbringen den Abend zu dritt auf dem Sofa, nah bei uns. Wir als Familie. Wir schlafen alle schlecht. Ich bin nicht mehr schwanger – war es nie, mein Körper hat es mir nur vorgekaukelt. Und in manchen stillen Momenten spüre ich jetzt meine Unsicherheit. Die war bei der Räubertochter nie da. Ich erinnere mich an einen Streit Ende Januar. Ich kann gut streiten. Und kann im Streit gut Dinge sagen, die mir später unendlich Leid tun. Die Worte hallen in mir nach „Ich bin mir manchmal nicht sicher, ob es klug war mit Dir noch ein Kind zu bekommen“. Bäng. Ja vielleicht hat mein Körper oder auch der Zwerg geahnt, dass es nicht die richtige Zeit sein könnte. Immer wieder fließen uns die Tränen. Wir halten uns, sind füreinander da. Wenn es drauf ankommt klappt es also doch…

 

Ich gehe natürlich am nächsten Morgen wieder arbeiten. Wieder kommt Unsicherheit in meinem Mann hoch. Er macht sich Sorgen um mich. Ich will das so. Ja, ich habe einen Dickschädel. Kurz bevor der Laden schließt merke ich, wie ich anfange zu bluten. Die Räubertochter und ich düsen nach Hause. So schnell? So bald hatten wir alle nicht mit der Abbruch-Blutung gerechnet. Ich bin froh – und gleichzeitig fühle ich Trauer. Auch der letzte Funke Hoffnung weg. Ja, ich habe einen medizinischen Beruf, weiß genau wie ein Ultraschall-Bild bei 9+0 aussehen sollte – und was ich gestern gesehen habe. Und trotzdem… Sicher 30 Minuten hocke ich in der Dusche während das Blut nur so strömt. Mit so viel Blut hatte ich nicht gerechnet. Mir geht es gut. Ich kann es einfach annehmen. Immer wieder muss mein Mann die Räubertochter aus dem Bad holen, sie merkt, dass etwas nicht stimmt. Fast 3 Stunden lang blute ich fast im Schwall. Dann wird es endlich weniger. Wir schlafen eng aneinander gekuschelt, tief, unruhig. Wir sind bei uns. Wir haben es geschafft! Gemeinsam haben wir diese Schwangerschaft gehen lassen.

 

 

 

Wir halten zusammen. Wir werden wieder eine Chance bekommen, wenn der Zeitpunkt der richtige ist. Unsere Liebe schafft das, wir als Familie schaffen das. Das ist die Hauptsache. Schön, dass wir eine Familie sind, schön, dass wir uns haben. 

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Kommentare: 5
  • #1

    Kira (Sonntag, 25 Februar 2018 20:51)

    Danke für deine Geschichte.
    Wir hatten ein ähnliches Schicksal im Oktober letzten Jahres. Unser absoluter Wunsch nach einem zweiten Kind ist sofort in Erfüllung gegangen und dann so schnell gegangen wie es gekommen ist. Wir waren erschüttert, traurig und geohrfeigt. Aber ich war froh das mein Körper, das richtige tat. Was will ich denn mit einer leeren Hülle in mir. Und ich war froh das mein Körper es von alleine schaffte die Hülle "rauszuschicken". Wir hatten ein gesundes Kind, also für uns kein Stress. Aber der innere Wunsch ist und war da nach einem Geschwisterchen.
    Mein Körper hat eine Zeit gebraucht, aber wie es scheint, soll unsere erste nicht alleine bleiben. Diesmal bin ich vorsichtiger, auch ein bisschen ängstlicher. Ich bin froh um 24 Stunden Übelkeit, Schwindel und weitere "Beschwerden" das nimmt mir ein bisschen sie Angst.

    Ich bin bei euch. Drücke euch.

    Danke das du dein Schicksal teilst. Es ist so wichtig auch über leere Hüllen zu reden! Und diese auch zu betrauern.

  • #2

    jasmin (Montag, 19 März 2018 11:33)

    Mein gott ich denk an euch �

    Lg jasmin

  • #3

    Sabine Mussack (Mittwoch, 18 April 2018 21:28)

    Liebe Riese ,
    Das tut mir sehr leid für euch. Aber du hast eine gute Methode gefunden das zu verarbeiten. Der Bericht ist ganz toll und eindrucksvoll geschrieben und genau so kann das Leben laufen. Ich weiß das ihr gut hin bekommt und der richtige Zeitpunkt für ein Geachwisterchen für Ronja wird kommen.
    Ihr seid eine ganz bezaubernde beeindruckende tolle ehrliche Familie♡♡♡.
    LG Sabine

  • #4

    Sabine Mussack (Mittwoch, 18 April 2018 21:30)

    Sollte natürlich
    "Liebe Rieke" heißen...

  • #5

    Bettina (Sonntag, 03 Mai 2020 22:50)

    Ich lese es erst heute, mehr als 2 Jahre später und es lässt mich so mitfühlen. Ähnlich habe ich es selbst erlebt. Den Herzschlag gesehen, gefreut und dann kam es doch ganz anders.
    In der 10. Woche mussten wir dieses kurze und kleine Wunder gehen lassen.
    Das kleine Wunder hat sich entschieden. Warum??? Ein kurzer falscher Gedanke, ein falsches Wort, ein Glaube daran, dass die Natur wohl weiß was sie tut.
    Keine Ahnung. Es hinterlässt immer ein Erinnerungen. Eine Erinnerung an die kurze Freude und das Hoffen, die Erinnerung an den Schmerz, körperlich und vor allem den tief in einem drinnen.
    Ja, wir hatten damals eine 1 1/2 jährige Tochter, das war Trost, man erkennt was man doch auch schon geschafft hat.
    Aber dieser Moment des Schmerzes, ganz tief in einem, das macht den Moment einfach so unendlich schwer.

    Jetzt, fast 3 Jahre nach unserem Verlust, kann ich sagen, es ist ok wie es ist.
    Habe Zeit, Gespräche und ein paar wunderbare Menschen an meiner Seite gehabt, die mir auch in dieser Zeit und auch immer noch danach, geholfen haben.
    Ich genieße auch jeden Tag mit unserer mittlerweile 4-jährigen Tochter.

    Aber eins ist wichtig. Darüber zu sprechen, über dieses Thema, das so allgegenwärtig ist. So viele Frauen erleben es, einmal, zweimal, .....

    Mal sehen was unser Leben noch so bringen wird.
    Ich hoffe immer nochmal auf ein kleines Wunder.
    Aber ich genieße auch mein Wunder. Das uns tagtäglich zum lachen bringt, mal auch zum weinen, mal zum tief durchatmen und auch mal zum Wahnsinn treibt. Auch da ist alles dabei.

    Liebe Grüße Bettina